Das Städtchen Cerreto Guidi liegt etwas über 40 Km westlich von Florenz. Ob es schön ist wurde ich heute gefragt… nun ja, so richtig "schön" eigentlich nicht. Aber dennoch auf jeden Fall einen Besuch wert!
Der vorletzte Urlaubstag war vom Wetter her sehr durchwachsen, es war Regen angekündigt und kein Tag für eine große Unternehmung. Sehr passend für eine kleine Stadtbesichtigung und vor allem eine sehenswerte Medici-Villa. Auch der Stadtplan von Cerreto Guidi sah interessant aus - wie so viele toskanische Städte auf einem Hügel gelegen bzw. von der Kuppe an hügelabwärts bebaut mit entsprechender Straßenführung. Und ganz oben keine Burg, sondern besagte Villa.
Die Villa Medici von Cerreto Guidi (der Link geht zu Wikipedia, wer da mehr wissen will…) wurde um 1555 als "eher einfaches Jagdschloss" erbaut, vorher stand dort die Burg der Grafen Guidi.
Bekannt ist sie vor allem wegen der mächtigen (imposanten, aber nicht wirklich schönen) Freitreppe.
Der letzte private Besitzer der Villa vermachte sie dem italienischen Staat unter der Auflage, sie innerhalb von 15 Jahren zu renovieren und sie zu einem Museum zu machen. Bei Nichterfüllung dieser Auflage sollte sie in den Besitz der Familie zurück gegeben werden.
Heute beherbergt sie ein Jagd- und Regional Museum, das jeden Tag bei freiem Eintritt geöffnet ist.
Genau gegenüber bietet sich folgende Ansicht - eine Bude mit Briefkasten für Schreiben an das Christkind, dahinter zentral positioniert das örtliche Kriegerdenkmal. Ich nehme an, die Bude wird spätestens Ende Januar wieder abgebaut.
Oben ein Stich von Giuseppe Zocchi, angefertigt 1744.
Die Wandgemälde - neoklassizistische Fresken aus dem 19. Jahrhundert- bezeugen, dass die Sehnsucht nach gehobener Landidylle kein Phänomen der heutigen Zeit ist.
Ein Raum ist den vier Jahreszeiten gewidmet, die in großartigen Wandteppichen dargestellt werden. Das Bild zeigt den Herbst, das Paar im Vordergrund macht wohl gerade Pause von der anstrengenden Arbeit. Die Beschreibung gab es nur in italienisch ("Autunno, arazzo, 1637, disegno di Jan van der Straet, detto Giovanni Stradano, Bruges 1523 - Firenze 1605, cartone die Michelangelo Ginganelli, Dettignano 1558 circa - Firenze 1635, tessitura di Pietro Févère"). Wer sagt mir, welcher der Herren da genau was gemacht hat? Die Umbenennung des Jan van der Streat klingt schon mal sehr poetisch.
Mein erster Gedanke beim Betreten dieses Saals war "großzügiges Herrenzimmer", aber die Führerin klärte uns auf, dass dies der Ballsaal war. Das eigentümliche Sofa in der Mitte diente zur Präsentation der Damen. Die üppigen Gemälde an den Wänden lassen darauf schließen, dass hier außer Tanz auch noch andere Vergnügungen zumindest "angedacht" waren.
Im Zimmer der Isabella de Medici (wann werde ich mich wohl daran gewöhnen, dass "camera" im Italienischen nicht Kamera bedeutet? Diese heißt "Macchina fotografica").
Isabella war kein langes Leben vergönnt - in unserem Reiseführer stand, sie sei in der Villa "unter ungeklärten Umständen" ums Leben gekommen. Um ihren Tod ranken sich zahlreiche Gerüchte und Geschichten.
Im oberen Stockwerk gibt es zwei Loggien mit Blick in den Garten (merke - unbedingt im Frühling zur Wisterienblüte wiederkommen). Die Tür führt direkt zu einer Empore in der neben der Villa liegenden Kirche.
Die Rückseite des Areals, die linke Wand gehört zur Villa
Außerhalb der Villa bietet Cerreto Guidi auch ganz andere, profanere Ansichten.
Diese Kombination von Weihnachtsschmuck und abblätterndem Putz hatte es mir angetan…
Bemerkenswert ist, dass das Tourismusbüro gleichzeitig ein Weingeschäft ist - und zwar ein sehr gutes, wo ausschließlich Weine aus den umliegenden Weingütern verkauft werden. Nur die Öffnungszeiten sind etwas eigentümlich. Wir kamen zehn Minuten vor eins dort an und mussten uns sehr beeilen… die Ausbeute war dennoch so hoch, dass wir erstmal zurück zum Auto mussten um die Beute zu verstauen. Den ersten Proben nach hat es sich gelohnt.
Die Spiegelung auf der rechten Seite habe ich zufällig auch auf einem anderen Foto festgehalten.
Damit sind wir bei einem Thema, mit dem wir nicht gerechnet hatten - dem Krippenweg von Cerreto Guido, und der allein ist es wert dieses Städtchen in der Weihnachtszeit zu besuchen. Wir sind keine wirklichen Fans von Weihnachtsdeko, aber diese hier hat uns doch in den Bann gezogen. Wir sind den ganzen Krippenweg abgelaufen und waren fasziniert von der Phantasie und der Kunstfertigkeit der Aussteller. Mehr, viel mehr davon zeige ich in einem (oder zwei) gesonderten Beiträgen.
Manche der Krippen zeigen nicht nur die klassische Weihnachtsszene, sondern betten sie in detailgetreue regionale Miniaturen ein. Diese Pizzabäckerei ist nur ein Beispiel.
Apropos Pizzabäckerei, die meisten Lokale waren am Tag vor Dreikönig - in Italien "Befana" - geschlossen. Aber wir bekamen den Tipp, wo eine Bar zu finden ist - G & B di Giacomelli Patrizia, Via Roma 2 - , und das war zum Abschluss auch noch ein spezielles Erlebnis mit viel Lokalkolorit (das klingt jetzt nicht nett… sagen wir lieber "sehr authentisch" und so gar nicht touristisch). Eine Mischung aus Bar und Vereinsheim, eine schicke Theke, links ein paar hohe Tische an denen zwei alte Männer Zeitung lasen, rechts vom Eingang ein Bereich mit Fernseher, wo eine ganze Menge alter Männer Skispringen verfolgten, rechts neben der Theke eine Tür in einen großen Raum, sehr schlicht möbliert, in dem an einigen Tischen alte Männer Karten spielten. Den Tipp hatten wir übrigens von dem netten alten Mann, der auf eine der großen Krippen aufpasste…
Ich hätte zu gern gewusst, was die Frauen in der Zeit so trieben.
Ein gutes Neues Jahr euch allen...
#CerretoGuidi
So ein Winterurlaub in Italien hat doch was! Da hast Du die Villa ganz für Dich alleine ;-) Die verwitterten Fassaden und die Weihnachtsbeleuchtung erinnern mich an Napoli.Höchst interessant das Präsentationsmöbel für Damen.......
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Das ist sicherlich einmal etwas anderes, die Toskana an Weihnachten zu besuchen. Der Krippenweg war sicherlich ein ganz besonderes Erlebnis!
AntwortenLöschenViele Grüße von
Margit